06.01.2020

Das Problem «Westen»

Wir hören und sehen in den letzten Tagen, wie Australien brennt, eine halbe Milliarde Tiere in den Flammen ihr Leben verloren haben, sechs Millionen Hektar Land verbrannt sind. Doch der australische Premierminister Scott Morrison, ein Freund der fossilen Industrie, denkt nicht daran, eine Kehrtwende einzuleiten. Im Gegenteil. Doch in anderen Orten der Welt sieht es nicht unbedingt besser aus. Wir sehen die gleiche Ignoranz, Unreife, zum Teil auch Verlogenheit. Es wird alles gesagt, getan, versprochen, damit wir weiterhin am Kapitalismus festhalten können, obwohl dieser das Weltsystem aus den Angeln hebt. Es ist wie mit jeder anderen Religion: Neue Erkenntnisse werden rationalisiert, Probleme bagatellisiert, ein Aktionspaket vorgestellt, dass die Gemüter beruhigen und den Weg in den Abgrund weniger holprig gestalten soll. Hauptsache wir können unser falsches Leben weiter leben, zumindest noch ein paar Jahre.

Der Westen hat damit angefangen, viele andere sind ihm gefolgt. Es sind die Industriestaaten, die dem Planeten, der gesamten Bio- und damit auch der Ethnosphäre massiven Schaden zufügen. Trotz aller Warnungen, aller Zeichen, stellen sich viele Menschen auf stur, erklären die Gefahren weg, rationalisieren eine Wirtschaft, die sich zum Krebsgeschwür des Planeten entwickelt hat, um weiterhin leben zu können, wie sie leben wollen: auf Kosten des natürlichen Gleichgewichts. Was ist schon dabei, wenn Seen austrocknen, Flüsse vergiften, Tiere zugrunde gehen, es geht schließlich um den Menschen, die angebliche Krone der vermeintlichen Schöpfung – und nicht um alle Menschen gleichermaßen, denn auch im reichen Deutschland gibt es Menschen, die von ihrer Arbeit oder Rente nicht leben können, obwohl sie ein Leben lang gearbeitet haben, obwohl Deutschland seinen Wohlstand diesen Menschen verdankt, die dann im Alter oder in der Not wie Abfall behandelt werden. Ich denke, dass das Problem nicht allein der Kapitalismus ist, sondern seine Kultur: das Abendland. Dieses hat nicht allein die Natur entseelt, entheiligt, sondern alles zu einem Finanzprodukt pervertiert, was Leben überhaupt erst möglich macht, sogar das Wasser. Schauen wir auf das Gebaren des Abendlandes, sein Sendungsbewusstsein, seine messianische Politik, die anderen Ländern «Demokratie» und «Marktwirtschaft» beibringen, gar aufzwingen möchte, seine Wirtschaftsverfassung, sein Selbstverständnis und seine momentane Untätigkeit, zu der auch Klimapakete gehören, die unser aller Intelligenz beleidigen und nur die normalen abhängig Beschäftigten belasten, und hysterische Protestbewegungen, die viel über Konsum und Klima schwadronieren, jedoch die Wirtschaftsverfassung unangetastet lassen, überkommt einem eine Abscheu gegen diese Lebensweise, die Verderben und allerlei Perversionen über den gesamten Globus bringt. Eine dieser Perversionen ist der Ökonomismus, der aus Menschen Konsumenten, aus Arbeitern Lohn-, aus Rentnern Renten- und aus Arbeitslosen Staatskosten macht. Wir können froh sein, dass wir noch unsere Namen behalten dürfen und nicht eine Nummer auf unserer Stirn tragen müssen. Wenn wir uns jedoch die Barbarei anschauen, in der wir leben, wählen und atmen, dürfte auch dieses Privileg bald der Vergangenheit angehören; vielleicht landet auch dieses Gut auf dem Markt, damit es allein den «Leistungsträgern» zur Verfügung steht, wie auch gute Bildung, Gesundheit und alles andere, was die Zivilisation auszeichnet.

Von allen Verbrechen des Parlamentarismus, allen Ekelphänomenen des Kapitalismus, allen Schandtaten des Westens und der anderen Länder, die seinem Irrsinn gefolgt sind, ist die Vergiftung der Natur, die Vernichtung der Lebensgrundlage der Tiere, die Verelendung nicht-kapitalistischer Länder (entweder durch Ausbeutung mittels «Entwicklungshilfen» oder Freihandelsabkommen) das allergrößte Verbrechen, gegen das sich bisher kein nennenswerter Widerstand geregt hat. Denn auch Bewegungen wie «Fridays for Future» wollen nur Druck erzeugen, auf die Politik, die Wirtschaft, damit diese endlich etwas gegen «das Klima» unternehmen, als ginge es allein um das Klima, nicht um die Umwelt. Die Bewegung erinnert an ein Kleinkind, das quengelt, schreit und um sich schlägt, damit ihm Mama endlich die Milch gibt. Wenn wir von der Politik oder das, was sich in der Moderne Politik nennen will, eine Veränderung, zum Beispiel den Schutz der Umwelt fordern bzw. erwarten, dürfen wir auch von der Mafia erwarten, dass sie sich selbst anzeigt und vor Gericht bringt. Das wahre Problem liegt nicht irgendwo da draußen, bei den Wirtschaftsbossen, den Politikern, die auch nur Produkte der jetzigen Kultur und politischen Propaganda sind (ohne sie in irgend einer Weise damit freisprechen zu wollen), sondern bei uns, konkret: in unseren Köpfen. Nur wenn sich hier etwas verändert, wird sich da draußen wirklich etwas verändern. Das klingt vielleicht etwas verträumt, naiv oder dumm, doch ändert sich unser Bewusstsein, werden wir uns mit den Abfallprodukten des Parlamentarismus, dem Kapitalismus und irgendwann auch mit dem Abendland nicht mehr zufrieden geben, Parteien nicht mehr auf den Leim gehen, alles und jeden in Zweifel ziehen, Parlamente, Verfassungen, den Parlamentarismus und seine Gehirnwäsche überwinden und vielleicht, vielleicht, eines fernen Tages die Demokratie, den Bürger, die selbstregierte Gesellschaft und die Vernunft wieder entdecken, den Menschen aufrichten und Mensch sein lassen. Wenn das geschehen ist, wird die Entdeckung der Lösungen für die Probleme, die uns der Parlamentarismus und Kapitalismus eingebrockt haben, die auch nur «Emanationen» des Abendlandes sind, zum Greifen nahe sein.

Doch, so meine ich, wird auch das nicht reichen, nicht genug sein, wenn wir uns nicht an das Fundament des Abendlandes, seinen «Anker» in unseren Köpfen ranwagen. Das ist der Monotheismus. Dieser ist nicht nur Religion, in ihrer klassischen oder säkularisierten Form, sondern auch Politik, Kultur, Wirtschaft. Das dürfen wir nie vergessen. Wenn wir von Monotheismus sprechen, sprechen wir über eine Denk- und Seinsweise, die viele Gesichter kennt, die, so unterschiedlich sie auch scheinen mögen, durch den Gedanken des menschlichen Exzeptionalismus, der Entheiligung der Natur, ihrer Degradierung zu einer «Schöpfung» eines persönlichen Gottes und der Weisung «Macht euch die Erde untertan» geeint werden. Die Alternative zu diesem System und seiner Kultur müssen wir nicht im Nahen oder Fernen Osten suchen, denn sie befindet sich bereits jetzt unter unseren Füßen, vor uns, über uns. Es ist die Wiederentdeckung der europäischen Traditionen, Wertesysteme und Religionen, wobei hier keiner photographischen Reproduktion einer undefinierten «Antike» das Wort geredet wird, sondern die Revitalisierung dieser Traditionen als lebendige Bezugssysteme, die Wiederentdeckung Europas vor der monotheistischen Besatzung, um aus der Weisheit, der Erfahrung und den Fehlern jener zu lernen, die vor uns auf diesem Kontinent gelebt haben, lange Zeit, bevor die Jünger einer fremden, lebensfeindlichen Religion ihre Heiligtümer und Dörfer niederbrannten, lange Zeit, bevor Karl «der Große» sein Abendland auf den Leichenbergen der Europäer errichtete. Es wäre der Weg zu einer lebensgerechten Seinsweise, zu einem kollektiven und individuellen menschlichen Verhalten, das sich der Natur anpasst, einer Wirtschaft, die sich dem Planeten und den Bedürfnissen seiner Lebewesen anpasst, einer Gesellschaft, die die Bedürfnisse der Mehrheit über den Wünschen und Begierlichkeiten von einzelnen Individuen stellt, gute Pflege statt Rendite garantiert, einer Politik, die genau das ist: Politik, d.h. Beschäftigung mit den öffentlichen Angelegenheiten zum Vorteil der ganz großen Mehrheit, anstatt der Beschäftigung mit Ideologien, Parteien, Parlamenten und Gesetzen zur Mästung der Reichen. Eine neue Kultur, eine neue Wirtschaft, die Wiederentdeckung der Politik, des politischen Menschen, der Gemeinschaft, des Humanismus, der Demokratie, der Wiederaneignung unseres Geistes. Ein Neubeginn für alle, Mensch, Tier, Natur. Noch ist es nicht zu spät.